1. Monat
Zwei freudig winkende Jungs warten am Flughafen auf mich:
Wilson, der Sohn meiner zukünftigen Vermieterin und Pablo, ein Untermieter in
dem Haus der Familie Fernandes Silva. Das werde ich von heute an auch sein. Ich
kenne die Gesichter der beiden nur von Facebook, wo Pablo mir kurz vor der
Landung „welcome little sister, we are going to have so much fun“ auf die
Pinnwand gepostet hat.
Wenn Fremde so begrüßt werden, wie muss hier dann eine
Begrüßung unter Freunden aussehen?, frage ich mich und lasse mich küssen und
umarmen und mir den Koffer abnehmen. Draußen schlägt mir eine tropische Hitze
entgegen, die mir den Atem nimmt.
Ich bin in Brasilien angekommen, in Rio, der laut Stefan
Zweig und diverser Reiseführer schönsten Stadt der Welt. Ein knappes halbes
Jahr werde ich hier leben und studieren, meinen Alltag verbringen auf der Rio
gegenüberliegenden Seite der Guanabara-Bucht, in Niterói.
Dass die Cariocas,
wie die Bewohner von Rio genannt werden, behaupten, die Sicht auf Rio sei das
Schönste, was Niterói zu bieten hat, weiß ich bereits. Und dass die knapp 500.000
Einwohner der Stadt aber stolz darauf sind, nach der Hauptstadt Brasilia die
meisten Bauten des berühmten Architekten Oskar Niemeyer zu beherbergen, so auch
das an eine fliegende Untertasse erinnernde Museum für moderne Kunst. Alles
andere gilt es herauszufinden.
Das MAC (Museum für moderne Kunst) in Niterói |
Kaum im Taxi, beginnt es zu gewittern. Auf der 13 Kilometer
langen, elegant geschwungenen Brücke, die Rio und seine kleinere Nachbarstadt
verbindet, erleuchtet ein Blitz die Bucht und die Christus-Statue, der in der Dunkelheit zu schweben
scheint. „Du sprichst aber gut Spanisch!“, lobt mich Pablo, als ich versuche,
meine Begeisterung über das Naturspektakel auszudrücken – auf Portugiesisch.
Ich sage nichts. Als ich ihm einige Wochen später mit besseren
Sprachkenntnissen erzähle, dass ich damals im Taxi Portugiesisch sprechen
wollte, kommt er aus dem Lachen nicht heraus.
An der Mautstelle krame ich einen Real aus meiner
Bauchtasche, in der ich alle meine Wertsachen verstecke, wie es mir von
Brasilienkennern und dem Reiseführer empfohlen wurde. Der Schein sorgt für
Erheiterung im Auto – seit Jahren verwenden die Brasilianer ihn nicht mehr, er
wurde durch eine Münze ersetzt. An der Reisebank am Zoo in Berlin ist diese
Entwicklung wohl vorbeigegangen.
In meinem neuen zu Hause angekommen, begrüßt Wilsons Mutter
Salome mich herzlich. Es gibt Fisch zum Abendessen und Geschichten aus dem
Leben ihrer quirligen, untersetzten Freundin Rita, die, wie ich erfahre, öfter
mal für einige Tage zu Besuch ist. „Ich bin einfach zu faul, zurückzufahren“,
erklärt sie mir lachend und betont, was für großartige Menschen Salome und die restlichen Hausbewohner seien und was für ein Glück ich hätte.
Die anderen Bewohner des Hauses in der Rua Magnólia Brasil in Fonseca sind Salomes Mann und die beiden Söhne sowie die Untermieter Nairana, Pablo und Fabio. Als ich bemerke, dass sie alle in dreieinhalb Zimmern
hausen und ich die einzige bin, die sich ihr Zimmer mit niemandem teilt, bin
ich erst ganz beschämt. Doch die Familie braucht das Geld und hat gerne Gäste
im Haus und so entspanne ich mich bald.
Die Rua Magnólia Brasil in Fonseca |
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