Ein Mann und eine Frau in Badehose und Bikini, in einem roten
Kreis. Das Schild befreit mich von der Sorge, ob ich wohl mit Shorts die Kirche
betreten kann. So sieht also die katholische Kleiderordnung in Brasilien aus.
Auch im Inneren der Kirche erwartet mich eine Überraschung. Die
Putten-Figuren, die mich von den Wänden aus beäugen, haben irritierend große
Brüste, wirken irgendwie unanständig. Auch das ist wohl Katholizismus auf
Brasilianisch.
Putten an der Wand der Kirche São Francisco in Salvador da Bahia |
Ich bin in Salvador, dem afrobrasilianischen Herzen des
Landes und Hauptstadt des Bundesstaates Bahia, der etwa so groß ist wie Frankreich. Mehr als drei Millionen Sklaven verschifften die
ehemaligen portugiesischen Kolonialherren nach Brasilien, bis der Sklavenhandel
1850 abgeschafft wurde. Die meisten kamen hier in Salvador an. Über 80 Prozent der Bevölkerung Salvadors sind dunkelhäutig
und die Kultur der Nachfahren der Sklaven prägt die Stadt.
In weiße Gewänder
gehüllte Frauen huldigen afrikanischen Gottheiten. Auch auf den Stufen vor Salvadors berühmtester Wallfahrtskirche, eigentlich ein katholischer Bau, wird ihnen zu Ehren jährlich ein großes Fest gefeiert. Katholizismus in Brasilien bedeutet auch,
Elemente traditioneller Religionen zu integrieren.
Nach nur wenigen Nächten in meinem neuen zu Hause bin ich
gemeinsam mit meiner Schwester Nele und meiner Freundin Johanna auf eine Reise
in den exotischen Nordosten Brasiliens aufgebrochen. Die beiden wollten sich
die Chance, Brasilien kennenzulernen, nicht entgehen lassen.
Der gescheiterte Versuch, Bustickets im Internet zu
erwerben, diente als kleine Einstimmung auf die aberwitzige brasilianische
Bürokratie: Hierfür wird eine Nummer benötigt, die jeder Brasilianer besitzt.
Neben seiner Ausweisnummer, dem Reisepass, einer
Wahl-Berechtigungs-Registrierung und weiteren Dokumenten, deren Sinn sich mir
nicht erschließt. Dank Salome, die beim Busunternehmen anruft, klappt es doch
noch mit den Fahrkarten und die Reise kann losgehen.
In der malerischen Kolonialstadt Ouro Preto (zu Deutsch
„schwarzes Gold“) klettern wir in eine ehemalige Goldmine hinab, in dem
Strandort Porto Seguro genießen wir Capoeira, Caipirinha und Kokosnüsse am
Meer. Im zweitkleinsten Bundesstaat Brasiliens, Alagoas, finden wir beim
Fischerdorf Porto de Pedras paradiesische Strände, menschenleer.
Die Kolonialstadt Ouro Preto, Minas Gerais |
Traumstrand bei Porto de Pedras, Alagoas |
Im Nationalpark Chapada Diamantina, einer traumartigen Landschaft
voller Tafelfelsen, trinken wir Wasser aus Bächen und übernachten in einer
Höhle. Als unsere Kreditkarten streiken und wir an keinem Automaten Geld mehr
bekommen, können wir uns problemlos bei unserem Wanderführer Marquinho verschulden.
Nach dem gemeinsamen Ausflug in die Wildnis seien wir alle „brothers“ und
Brüdern vertraue man, erklärt uns Marquinho, ein Lebenskünstler mit hüftlangen
Rastas, der kaum schreiben, aber dafür am Himmel den Weg ablesen und wilde
Tiere vertreiben kann.
Wanderung in der Chapada Diamantina, Bahia |
Auch die
Hostel-Angestellten im Hippiedorf Lencois mitten in der Chapada verschieben
bereitwillig die Begleichung unserer Rechnung. Als wir nach einem verzweifelten
Anruf bei der Bank endlich wieder an Bargeld gelangen und Marquinho bezahlen
können, lädt der uns erst einmal zum Essen ein. Beim Abschied bin ich ganz
gerührt und den beiden anderen geht es genauso, obwohl sie Marquninhos
Freundschaftsbeteuerungen nur übersetzt aus meinen Mund kennen. Englisch
sprechen in Brasilien die wenigsten.
Im Hostel in Salvador treffen wir einen lebensfrohen
Kanadier im Rentenalter. Er will Brasilien bald verlassen, denn er spricht keinen
Brocken Portugiesisch und hat wegen Verständigungsproblemen schon am falschen
Bahnhof auf einen Bus gewartet und
ähnliches mehr. Ich bin froh über meine Sprachkenntnisse, auch wenn mein
Portugiesisch noch holprig ist und an Spanisch erinnert. Und ich freue mich,
dass bald mein Alltag in Brasilien wirklich losgeht und ich nur noch
Portugiesisch sprechen werde, erst mal im Sprachkurs, und dann sogar in
Uniseminaren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen