6. Monat
Vieles, was ich unternommen habe in den vergangenen Tagen, habe ich zum letzten Mal getan. Manches auch gleichzeitig zum ersten Mal, denn ein knappes halbes Jahr reicht nicht aus, um alles zu erleben, was Niterói und Rio zu bieten haben.
Rios Felsformationen |
Vom Stadtpark fuhren wir zur Cantareira, ein Platz vor dem größten Campus der Uni, der als das
Lapa Niteróis gilt. Dort spielte eine Bläserband Songs von Abba, Nirvana und
Amy Winehouse, das Publikum grölte die Texte, tanzte und blies Seifenblasen in
die Luft.
Am nächsten Tag standen ein letztes Mal Caipirinhas und brasilianische Musik bei einer
befreundeten Jungs-WG in Rio auf dem Programm, danach tanzen in einem kleinen
Club mit Balkonen hinaus ins nächtliche Lapa. Am nächsten Tag wieder Lapa, mit
Rena und Luis aus Bolivien, bei völlig anderem Ambiente: Ein riesiger Markt in
der prächtigen, denkmalgeschützten Rua do Lavradio – stöbern, Andenken kaufen und
Maiskolben knabbern.
Konzert auf der Cantareira |
Bläserkonzert auf dem Markt in Lapa |
Capoeira auf dem Markt in Lapa |
Auf dem Markt spielte eine Band Capoeira, eine andere Blasmusik, wir ließen uns treiben, liefen zum Strand von Flamengo und betrachteten die Skyline von Niterói. Auf dem Weg Richtung Santa Teresa stießen wir auf einen Samba auf der Straße, tanzten dort ein bisschen, bevor wir in einem romantischen Buch-Café in Santa Teresa Ana und Maria trafen und mit Blick auf Rios Geschäftszentrum ein Forró-Konzert genossen. Maria schob sich durch die Menge, um Getränke zu kaufen, ich bat sie, mir ein Bier mitzubringen. Sie kam mit einer Caipirinha und einem verschmitzten Lächeln zurück: „An deinen letzten Tagen in Rio kannst du doch kein Bier trinken!“ Ein letztes Mal schlief ich bei Ana und ihr auf dem Sofa.
Samba-Konzert |
Forró inSanta Teresa |
Pablo fragt mich, was mir am besten gefallen habe in Brasilien. „Die Offenheit und Herzlichkeit der Menschen“, antworte ich. „Und Portugiesisch zu sprechen im Alltag. Die Schönheit der Natur um Rio herum, kombiniert mit dem Leben in einer Großstadt. Und dass man einen Tag damit verbringen kann, immer dorthin zu gehen, wo gerade Musik gespielt wird auf der Straße.“ Wir erinnern uns an den Tag, an dem er mich vom Flughafen abgeholt hat und meine Versuche, Portugiesisch zu sprechen, für Spanisch gehalten hat. „Als wäre es gestern gewesen“, sagt er und, um mich zu ärgern: „Dein Spanisch ist noch viel besser geworden seit diesem Tag!“
Zu meinem
Abschied lade ich meine ausländischen und brasilianischen Freunde ein letztes Mal
auf die Cantareira ein. Diesmal unterhält uns eine Roda de Samba, eine
der ursprünglichsten Varianten des Samba mit afrikanischen Trommeln. Eine
Gruppe von Studenten gibt ihre Künste zum Besten, wer einen Text kennt oder ein
Instrument beherrscht, mischt sich unter die Musiker, sodass Publikum und Band
miteinander verschmelzen.
Das ist so
stimmungsvoll, dass mein Ärger über die Absagen der Mehrheit meiner brasilianischen
Bekannten verfliegt (diese erreichen mich in verschiedenen Varianten von
„Leonie, heute ist es mir leider unmöglich, es war großartig, dich
kennengelernt zu haben, beijos e saudade!“).
Roda de Samba auf der Cantareira |
Während des Frühstücks erreichen mich Nachrichten von Menschen, die mir eine gute Reise wünschen. Auch von João, einer der wenigen Brasilianer, der zu meinem Abschied gekommen ist. Er lädt mich in seine Heimat nach Bahia ein und verabschiedet sich mit einem „beijos de saudade“, „sehnsüchtige Küsse“ - was in Deutschland an sexuelle Belästigung grenzt, ist in Brasilien einfach nur nett gemeint. Daniel und ich müssen grinsen. Abends hilft er mir, meine Koffer zum Bus zu schleppen. „Mach´s gut, wir sehen uns in Deutschland“, verabschieden wir uns. Um dann, als die Türen des Busses sich schließen, noch etwas brasilianischer zu werden: „beijos de saudade!“, rufen wir uns lachend zu.
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